Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 09.03.2016 entschieden, dass eine Verpflichtung zur Zahlung von Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit nach § 1603 Abs. 1 BGB zur Zahlung von Elternunterhalt zu berücksichtigen ist.
Der im Jahre 1941 geborene Vater wird seit Anfang 2010 von einem Pflegedienst in der eigenen Wohnung betreut und versorgt; er bezieht laufende Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege). Der Sozialhilfeträger verlangt von dem Sohn aus übergegangenem Recht nach § 94 SGB XII Elternunterhalt. Der Sohn lebt in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, aus der eine im Dezember 2008 geborene Tochter hervorgegangen ist.
Das Amtsgericht hatte den Sohn in erster Instanz zur Zahlung rückständigen und laufenden Elternunterhalts verpflichtet. Dabei ist das Amtsgericht u.a. davon ausgegangen, dass sich der Sohn nicht – wie ein verheirateter Unterhaltsschuldner – auf einen erhöhten Selbstbehalt (Familienselbstbehalt) berufen könne, weil er seiner Lebensgefährtin nicht zum Familienunterhalt verpflichtet sei. Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts im Wesentlichen bestätigt und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Der Bundesgerichtshof vertritt allerdings eine andere Auffassung und meint: Zwar kann sich der Unterhaltspflichtige, auch wenn er mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt und für den gemeinsamen Unterhalt aufkommt, nicht auf einen Familienselbstbehalt berufen. Eine eventuelle Unterhaltspflicht ist allerdings als sonstige Verpflichtung im Sinne von § 1603 Abs. 1 BGB vorrangig zu berücksichtigen. Weil das Oberlandesgericht einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt mit unzutreffenden Erwägungen abgewiesen hat, konnte die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Ist das gemeinsame Kind, wie hier, älter als drei Jahre, steht dem betreuenden Elternteil nach § 1615 l Abs. 2 Satz 4 BGB dann weiterhin ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind kind- und elternbezogene Gründe zu berücksichtigen. Da hier keine kindbezogenen Verlängerungsgründe festgestellt sind, kamen lediglich elternbezogene Gründe in Betracht. Solche können bei zusammenlebenden Eltern auch darin liegen, dass ein Elternteil das gemeinsame Kind im Einvernehmen mit dem anderen Elternteil persönlich betreut und deshalb voll oder teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Eine rechtsmissbräuchliche Ausgestaltung des familiären Zusammenlebens zu Lasten des Unterhaltsanspruchs des Vaters ist hier nicht ersichtlich.
Auf dieser rechtlichen Grundlage wird das Oberlandesgericht nun Grund und Höhe eines vorrangig zu berücksichtigenden Anspruchs auf Betreuungsunterhalt feststellen müssen.
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs